Phagenforschung für Schüler:innen
Salome Gohl berichtet über ihre Maturaarbeit und ihr Praktikum im Phagenlabor
Bakteriophagen wirken auf viele Menschen noch immer geheimnisvoll und unbekannt. So war es auch bei mir, bis ich mich im Rahmen meiner Maturaarbeit intensiv mit diesem Thema auseinandersetzte. Dabei durfte ich unter der Anleitung von Prof. Dr. Alexander Harms selbst Phagen aus Abwasserproben isolieren, unter anderem gegen ein antibiotikaresistentes E. coli-Bakterium. Es stammte von einer Patientin, die trotz der wiederholten Einnahme von Antibiotika seit Jahren immer wieder an Blasenentzündungen erkrankt. Das Ergebnis war faszinierend: Wir haben im Labor Dutzende winziger Phagen entdeckt, die das resistente Bakterium angreifen und damit der Patientin möglicherweise helfen könnten.
Wie kann es sein, dass ein solches Potenzial so wenig bekannt ist?
Besonders eindrücklich war für mich das Gespräch mit einer Patientin, die seit einem schweren Unfall 2016 mit einer chronischen, nie heilenden Wunde am Bein lebte. Jahrelang musste sie Antibiotika einnehmen, bis diese wegen Resistenz nicht mehr wirkten und ihr schliesslich zur Amputation geraten wurde. Für sie kam das nicht infrage. Aus eigener Initiative reiste sie nach Tiflis (Georgien), um dort eine Phagentherapie zu beginnen. Anfangs zeigte die Therapie vielversprechende Erfolge, bis sie wieder zuhause war und sich die Wunde aufgrund eines zusätzlichen multiresistenten Bakteriums erneut vergrösserte.
Die Ärzte im Kantonsspital Luzern arbeiteten darauf mit jenen in Tiflis zusammen und applizierten der Patientin schliesslich Phagen direkt in die Wunde. Diese Behandlung war langwierig und teuer, aber es hat sich gelohnt. Heute ist ihre Wunde geschlossen, was für sie ein völlig neues Lebensgefühl darstellt.
Wenn Phagen so leicht zu finden sind und solche Ergebnisse erzielt werden können, stellt sich mir die Frage: Wie kann es sein, dass ein solches Potenzial so wenig bekannt ist?
Antibiotikaresistenzen betreffen uns alle
Phagen haben tatsächlich enormes Potenzial und in manchen Punkten sogar klare Vorteile gegenüber herkömmlichen Antibiotika. Während Antibiotika meist nicht nur die krankmachenden, sondern auch viele nützliche Bakterien im Körper abtöten (mit Nebenwirkungen wie neuen Infektionen), greifen Phagen ausschliesslich ihre spezifischen Wirtsbakterien anund schonen die nützliche Flora des Körpers.
Doch genau diese Spezifität ist auch eine grosse Hürde: Für jeden Erreger müssen passende Phagen gefunden und individuell aufbereitet werden – ein aufwändiger, kostspieliger Prozess. Aufgrund dieser Patientenspezifität ist eine allgemeine Zulassung kaum möglich – ein universelles Präparat, das alle Testverfahren durchlaufen könnte, existiert nicht.
Da Antibiotikaresistenzen uns alle betreffen und ein stetig wachsendes Problem darstellen, ist es umso wichtiger, neue Ansätze wie die Phagentherapie ernsthaft zu verfolgen. Dafür braucht es Offenheit, Forschung und vor allem auch Menschen, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Ich hoffe sehr, dass die Phagentherapie in naher Zukunft ihren Platz in der modernen Medizin finden wird und dadurch vielen Menschen mit schwierigen Infekten effizient geholfen werden kann.
Salome Gohl hat ihre Maturaarbeit «Bakteriophagen und ihr Potenzial bei der Behandlung von Infekten mit resistenten Bakterien» 2024 im Gymnasium Immensee geschrieben.

0 Comments